ADS-Info

ADS – Was ist das?

Wer hat sie nicht schon erlebt – Kinder und Jugendliche, die in einer Gruppe unangenehm auffallen, unangepasst, sehr laut und oft auch aggressiv sind. Sie wirken manchmal zerstreut und/oder sehr provozierend. Oder die Träumerchen, die ruhig in der Ecke sitzen und ihrer Umwelt augenscheinlich nicht richtig folgen können.
„Rotzbuben“ würde Frieders Oma sagen. Viele finden die Kinder einfach nur unge- und vor allem unerzogen. Beschäftigt man sich mit diesen „ungezogenen“ Kindern intensiver und wagt einen Blick hinter die Fassade, so zeigt sich ein sehr ideenreicher und kreativer Mensch, der überaus sensibel und einfühlsam ist. Was steckt hinter einem solchen Verhalten?
Die medizinische Krankheitsbezeichnung für ein Störungsbild mit dieser Kombination aus Aufmerksamkeitsschwäche, überschießender Impulsivität und oft extremer Unruhe (Hyperaktivität) heißt „AD(H)S – Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivitäts-)Störung“
Bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist AD(H)S mit etwa 5% die häufigste psychische Störung.
Das vorrangige Problem dieser Kinder ist die Aufmerksamkeit. Sie können sich auch mit größter Anstrengung nur wenige Minuten auf den Unterrichtsstoff konzentrieren. Je nach Ausprägung des Krankheitsbildes verfallen sie danach in Tagträume, gucken Löcher in die Luft, kritzeln in ihrem Heft herum oder werden zappelig, kippeln mit ihrem Stuhl, laufen im Klassenzimmer herum oder necken Mitschüler.

Warum sind AD(H)S-Kinder so?

Fest steht nach dem gegenwärtigen Forschungsstand, dass ADS angeboren ist. Diese Veranlagung wird aber nicht automatisch vererbt. (ADS ist keine Erbkrankheit!) Sie kann ebenso erworben werden, sich also z. B. durch Einflüsse im Mutterleib und bei Komplikationen in der Schwangerschaft entwickeln.

Fest steht zur Zeit außerdem, dass eine Störung im Mittelhirn schuld daran ist, dass Reize nicht richtig erfasst und weitergeleitet werden. Dies beeinträchtigt die Reifung und Entwicklung des Gehirns. Experten sprechen deshalb auch von einer „Entwicklungsstörung“. Der „Kurzschluss“ befindet sich vermutlich in einem System, genannt ARAS (Aktivierendes Retikuläres Aufsteigendes System), das unsere Aufmerksamkeit und Selbstkontrolle reguliert. Dieses System ist eng mit den drei Basissinnen unseres Körpers, aber auch mit motorischen Systemen, die unsere Bewegung steuern, vernetzt.

Ursache dieser Störung im Mittelhirn ist eine Fehlsteuerung im Stoffwechsel der Botenstoffe (Neurotransmitter) des zentralen Nervensystems. Vor allem bei den chemischen Boten Dopamin, Serotonin und Noradrenalin hapert es.
Diese Substanzen sorgen normalerweise dafür, dass Reizsignale je nach ihrer Wichtigkeit mal stärker, mal schwächer übertragen werden, so dass das Gehirn sie einordnen und geregelt bearbeiten kann. Ist die Aktivität der Botenstoffe gestört, erreichen alle Sinnesreize, Ideen und Gefühlsimpulse unsere grauen Zellen unreguliert.
Die Folge: Das Gehirn kann unwichtige Reize nicht mehr von wichtigen unterscheiden und so deren Weiterleitung hemmen. Alles strömt ungefiltert herein und kann deshalb nicht mehr vernünftig verarbeitet werden.
So ist eine angemessene Reaktion auf Reize oft nicht möglich.

Hinzu kommt, dass durch diese Überflutung mit Reizen jeglicher Art einige Bereiche des Großhirns ständig auf Hochtouren laufen und dabei zuwenig „Treibstoff“ für das Steuer- und Planungszentrum übrig bleibt. Kein Wunder, dass dann keine Glanzleistungen erbracht werden können. So kommt es, dass Kinder mit ADS Schwierigkeiten haben, sich in einer Situation angepasst zu verhalten, ihre eigenen Reaktionen und motorischen Aktivitäten zu steuern und ihre Impulsivität zu hemmen.

Welche Erscheinungsformen sind bisher bekannt?

Dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) zufolge gibt es drei Untergruppen der  Störung:

  • Vorwiegend hyperaktiv-impulsiv: „Zappelphilipp“
  • Vorwiegend aufmerksamkeitsgestört: „Träumersuse“ (tatsächlich häufiger bei Mädchen!)
  • Misch-Typ: aufmerksamkeitsgestört und hyperaktiv

Alle drei Gruppen entwickeln soziale Störungen als Folge ihrer Probleme. Bei manchen Kindern besteht zusätzlich ein oppositionelles und/oder dissoziales Verhalten, das sich im Widersetzen gegen jede Führung zeigt und in der Kombination mit Hyperaktivität zu erheblichen Aggressionen führt.

 

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Diagnostik

Will das Kind nicht hören oder kann es nicht? Will es nicht hören, hilft auch kein Hörgerät – kann es nicht, hilft keine Verhaltenstherapie. Die diagnostische Beurteilung bei ADHS umfasst drei Ebenen:

  • Körperliche Gesundheit und Funktion von Sinnesorganen und die Reizleitungen müssen geprüft werden.
  • Das Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen wird mit Hilfe von Fragebögen und Befragungen erfasst.
  • Es wird befragt nach Familiengeschichte, Familienhintergrund, Erziehungsstil und belastende Ereignisse.
    Diese Diagnostik sollte von Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder von Kinder- und Jugendärzten gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Psychologen erfolgen, da eine unqualifizierte Diagnostik „per Augenschein“ nicht geeignet ist, andere Ursachen für z.B. Impulsivität auszuschließen. Auch Lehrer, Erzieher und andere Therapeuten sollten zur Diagnosestellung mit ihren Beobachtungen einbezogen werden.

Ausgeschlossen werden müssen u.a.:

  • Hör- und Sehfehler
  • Entwicklungsrückstände aufgrund psychischer Belastung
  • Verzerrte Wahrnehmungen oder posttraumatische Wahrnehmungsblockaden
  • Gestörtes soziales Umfeld
  • Teilleistungs- und andere Entwicklungsstörungen

Behandlungsmöglichkeiten

Wenn eine Wahrnehmungsstörung bekannt ist, richtet sich der Behandlungsansatz sowohl nach den diagnostischen Ergebnissen, als auch nach dem, was Eltern für vertretbar und in ihrer Familie für lebbar halten.

Es gibt sehr unterschiedliche Ansätze zur Behandlung von Wahrnehmungsstörungen und zur Bewältigung ihrer Folgen. Die Behandlung sollte grundsätzlich „multimodal“ erfolgen. Das heißt, je nach individueller Ausprägung des ADS und der familiären und sozialen Rahmenbedingungen sollten verschiedene verhaltenstherapeutische, medikamentöse oder andere Angebote gemacht werden.

  • Veränderung der Umwelt: z.B. enge Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule, Reduktion von Hintergrundgeräuschen in der Schule, reizarme, konzentrationsfördernde Gestaltung des (Schul-)Arbeitsplatzes, Sitzordnung, Ordnung zu Hause.
  • Schulung und Verhaltenstraining der Eltern: Strukturierung des Alltags in Richtung Vorhersagbarkeit, Konfliktmanagement, Erarbeiten klarer Kommunikation und realistischer Erwartungen, Förderung des kindlichen Selbstbewusstseins.
  • Schulung und Verhaltenstraining des Kindes: Training sozialer Fertigkeiten, Strukturierung des Alltags, Pläne, Listen, Rituale, Förderung des kindlichen Selbstbewusstseins.
  • Medikamentöse Behandlungen mit Stimulanzien, die bei ADS die Aufmerksamkeit verbessern und die Hyperaktivität dämpfen. Hier ist wegen möglicher Nebenwirkungen eine engmaschige ärztliche Kontrolle nötig.
  • Psychologische Beratung oder psychotherapeutische Behandlung von Eltern und/oder Kind.
  • Naturheilkundliche Behandlung mit homöopathischen Mitteln oder Bach-Blüten.
  • Sinnespflege auf anthroposophischer Grundlage.
  • Förderung der Sinneswahrnehmung, -integration, -koordination: Sensorische Integration, Psychomotorik, Ergotherapie, therapeutisches Reiten, Tomatis-Therapie und weiteres.
  • Evtl. Nahrungsumstellung: Zucker-Reduktion, oligoantigene Diät

Der gewählte Ansatz hängt im Einzelfall sowohl von der Symptomatik als auch vom Verständnis der Krankheit ab. In der Praxis werden in der Regel verschiedene Ansätze gleichzeitig oder nacheinander angewandt und die wirkungsvollsten weitergeführt.
Im Zuge der kindlichen Entwicklung kann sich die Wirksamkeit einzelner Ansätze verändern.

ADS – eine Modekrankheit unserer Zeit?

 

Sicherlich nicht, denn berühmte Leute wie Albert Einstein, Thomas Alva Edison, Winston Churchill und Mozart werden immer wieder im Zusammenhang mit ADS erwähnt. Auch Sie hatten Schulprobleme, waren unruhig, impulsiv und leicht ablenkbar. Das Problem gab es also schon immer.

Jedoch warnt Dr. med. Thomas Bonath in seinem Artikel „Kinder-Seele in Not“ vor einer derzeit teilweise zu schnellen Diagnose ADS. Während er früher Eltern, Erzieher und Betroffene über die Existenz von ADS aufklären musste, wird heute oft zu schnell die Diagnose gestellt. „Nicht jeder, der zappelt oder träumt hat ADS!“. Er schreibt weiter: „Die „zu großzügig“ gestellte Diagnose kann nämlich weitreichende Folgen haben, von der Stigmatisierung der Kinder durch Unkenntnis im sozialen Umfeld („wenn das Kind doch „geistig behindert“ ist – ja, dann muss es halt auf eine andere Schule“) bis zum massiven Druck, endlich eine Behandlung mit Psychopharmaka einzuleiten („seit der Franz Ritalin nimmt, ist er viel ruhiger in der Schule – machen Sie das doch bei Ihrem Kind auch so“).

Eine Inflation der Diagnose würde aber auch bedeuten, dass die Störung wieder wie früher aus Unverständnis bagatellisiert wird – „So, so – Ihr Kind hat ADS, nun, das haben die meisten hier“ – und weiterhin auf die Besonderheiten, Bedürfnisse und Nöte der wirklichen Betroffenen nicht eingegangen wird.“

Was können Eltern tun?

Wenn Sie also den Eindruck haben, Ihr Kind sei zappelig, impulsiver, unkonzentrierter, als es das von seinem Alter her sein dürfte, und Sie diesem Problem auf den Grund gehen möchten, fangen Sie als Erstes bei sich zu Hause an: Beobachten Sie sich und Ihre Familie eine Weile sehr genau und machen Sie sich Notizen. Am besten tauschen sich beide Elternteile untereinander aus. Wichtig ist, dass Sie wirklich ehrlich zu sich sind:

Gibt es bei Ihnen oder in Ihrem sozialen Umfeld Probleme (z.B. Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Trennung)?
Ist das Kind eifersüchtig auf ein neues Geschwisterchen?
Herrscht bei Ihnen zu Hause oft viel Unruhe und Stress (z.B. durch ständiges Radiohören, Fernsehen, Computerspiele, viel Besuch)?
Kann Ihr Kind ungestört spielen?
Haben Sie einen geregelten Tagesablauf und einen sich immer wiederholenden Wochenrhythmus, oder geht es bei Ihnen eher spontan zu?
Sind Sie als Eltern konsequent in der Erziehung? Gibt es feste Regeln? Setzen Sie Grenzen, die eingehalten werden müssen oder lassen Sie lieber mal fünf gerade sein?
Haben Sie feste Familienrituale, die den Tag und das Jahr strukturieren?
Gab es im Leben des Kindes kürzlich einschneidende Veränderungen (z.B. Eintritt in den Kindergarten, neue Tagesmutter, Umzug)?
Hat Ihr Kind gesundheitliche Probleme (z.B. Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Allergien)?
Sieht und hört Ihr Kind gut?
Isst es für sein Alter normal?
Leidet es unter Ängsten?

Überlegen Sie nach diesem Check-up kritisch, was Sie vielleicht in Ihrem Leben ändern könnten und sollten, um zu Hause eine ruhigere Atmosphäre zu schaffen oder Ihrem Kind mehr Halt und Bodenhaftung im Alltag zu geben. Lassen Sie auch eventuell vorhandene gesundheitliche Probleme Ihres Sprösslings abklären. Und dann gönnen Sie Ihrer Familie etwas Zeit und Ruhe, damit Veränderungen zum Tragen kommen können. Sollte sich Ihrer Meinung nach trotzdem nichts zum Guten wenden und sich Ihr Verdacht erhärten, müssen Sie den nächsten Schritt machen und Hilfe suchen.

Zehn Regeln zum Umgang mit ADS-Kindern

1. Dem Kind deutlich machen, welches Verhalten von ihm erwartet wird. Dabei muss der Erwachsene freundlich, einschätzbar und fest im Ton bleiben. Lieber kein Versprechen geben, das man nicht einhalten kann.

2. Ankündigen, welche Dinge genau zu erledigen sind. Dabei nicht diskutieren oder moralisieren. Erst mal etwas Zeit geben und gegebenenfalls in knappen Sätzen wiederholen oder das Kind kurz berühren, um seine Aufmerksamkeit wieder zu bekommen.

3. Immer eingestellt sein auf Widerstand und auch Motzerei. Darauf dann nicht eingehen und nicht persönlich nehmen. Das Kind meint oft nur die Rolle, die das Gegenüber spielt, nicht die Person.

4.Wenn es schwierig wird, dem Kind nicht in die Augen schauen, sondern den Blickkontakt meiden und die Stimme senken. Kinder mit ADS orientieren sich blitzschnell an Mimik, Gestik und Tonfall und reagieren mit Konfrontation und Abwehrverhalten.

5.Klare Regeln und deutliche Strukturen – manchmal auch Regelpläne oder Belohnung, aber auch negative Konsequenzen helfen den Alltag zu bewältigen. Regeln müssen ausreichend eingeübt werden.

6. Immer nachprüfen, ob das Verlangte auch tatsächlich erledigt wurde. Bei Problemen nicht streng reagieren, sonder liebevoll und dennoch stur darauf bestehen. Das Kind nicht auflaufen lassen.

7. Kindern Rückmeldung über ihr Verhalten geben. Es lohnt sich immer wieder zu loben. Nicht nur das Ergebnis zählt, sondern auch die Anstrengung, etwas richtig gemacht zu haben. Lob und negative Konsequenzen sollten nie zu extrem sein.

8. Immer nur eine Sache zurzeit korrigieren. Nicht alte Fehler aufzählen oder an Kleinigkeiten herummeckern. Laut werden muss manchmal sein, aber vermeiden Sie Vorwürfe wie „Nie tust du das was ich will“.

9. Hektik und plötzliche Änderungen im Alltagsablauf möglichst vermeiden, sonst bockt das Kind. Der Wechsel aus einer gewöhnten Situation sollte in Ruhe vorher angekündigt werden. Vom Kind Selbstständigkeit nicht zu früh einfordern, weil es sich langsamer entwickelt als andere.

10. In Grundsatzgesprächen immer erst etwas Positives vor Negativem nennen. Nicht weitschweifig erklären, sonst gibt es gleich Abwehr.

Links zu ADHS

www.adhs.info

www.ads-hyperaktivitaet.de

www.agadhs.de